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Wer die Wahl hat, kann den Betrug schon riechen?


Bei der Wahl wurde eine fragwürdige Strategie der CDU aufgedeckt: Der charismatische OB-Kandidat Martin Papke nutzte seine Popularität, um Stimmen zu sammeln, obwohl er das Amt des Stadtrats nicht anstrebte. Das führte zu einer hitzigen Debatte und sorgte für Überraschungen bei den Wahlergebnissen.



Na dann trotte ich mal ins Wahllokal. Das Mittagessen ist verdrückt und die bessere Hälfte (vielleicht auch besser wissende Hälfte) hat die Wahlscheine schon auf die Kommode gelegt. Auf nüchternen Magen ist Politik, auch wenn es nur Kommunalpolitik ist, schwer zu ertragen. Der Erdbeerkuchen wartet nach dem Gang zur Urne auch noch auf mich.

Mann, sind hier viele Leute auf der Straße, fast eine kleine Völkerwanderung, denke ich, als ich losziehe. Siehe da, der Herr Nachbar kommt gerade von seiner „liebevollen Bürgerpflicht“ zurück. Noch schnell den Kopf nicken und bloß nicht in eine Grundsatzdiskussion über die Kandidaten einlassen, sonst komme ich heute erst zum Abendessen nach Hause.

Endlich stehe ich im Wahllokal. Unglaublich, wie viele hier heute sind. Ich gehe ja wirklich immer wählen, aber ich musste noch nie warten, bis ich endlich meine Kreuze machen konnte. Eine junge Frau mit bunten Haaren vor mir fragt nochmal nach, wie viele Kreuze sie auf welchem Schein machen kann. Freundlich wird es ihr erklärt, ich höre sicherheitshalber auch zu, und dann stellt sie sich in die Reihe der Wartenden für die Wahlkabinen.

Dann bin ich dran. Wahlbenachrichtigung abgeben, in der Liste abgehakt werden, Stimmzettel bekommen und noch eine Weile warten. Endlich sitze ich auf einem unbequemen Holzstuhl und angle mir einen Stift, der an einem Bindfaden in einer Ecke der „Wahlkabine“, die eigentlich nur aus drei mit Scharnieren verbundenen Holzbrettern in politisch korrektem Grau besteht, angebunden ist. Ich entfalte das erste Blatt. Die Zeitung von Freitag hatte ein kleineres Format.

Kurz überlege ich, wie ich den blöden Zettel am Ende wieder zusammenfalten muss, aber das kommt schon noch. Aha, das ist also die Europawahl, die alle so stark beobachten, damit nicht so viel Schwung von rechts kommt und die stabilen Parteien ihre Sitze behalten. Neuen Wind, den brauchen wir nicht. Im Vorfeld habe ich noch den Wahlomat in Anspruch genommen und geguckt, was der mir so empfiehlt. Hmm, das hätte ich ja nicht gedacht. Meine Wünsche und Ziele werden von zwei vollkommen unterschiedlichen Lagern verfolgt. Links und rechts. Ich folge dem, was für mich das kleinere Übel ist und werde mich später bei der Auswertung freuen, dass auch diese Partei Sitze im EU-Parlament bekommen hat. Nach dem vierten Anlauf kriege ich die halbe Tapetenrolle auch wieder zusammengefaltet und schiebe sie erst mal zur Seite.

Ein grüner Zettel blinzelt mich an und ist der einzige, dessen Format mich nicht gleich von Anfang an überfordert. Kreistag steht darauf. Bei genauer Betrachtung und auch wenn ich es nicht zugeben mag, ich weiß gar nicht, was der Kreistag macht. Was darf der denn bestimmen? Naja, das kriege ich später zu Hause bestimmt noch raus, frage ich meinen Nachbarn, der weiß politisch eh alles. Einmal durchschauen, wer da so alles draufsteht, drei Kreuze und fertig. Zusammenfalten ohne das kleine 1x1 im Stimmzettelorigami zu beherrschen.

Und weiter im Text. Der letzte Stimmzettel ist dran. Quietschgelb und mit einer Masse an Kandidaten, die einem die Ohren schlackern lassen. Wer sind die alle? Ein paar von denen kennt man ja. Die waren schon im Stadtrat oder sind mal Bürgermeister gewesen. Andere haben in der Presse geglänzt (oder manchmal eben nicht positiv), einige Namen hat man auf Plakaten gelesen, auf denen die Herrschaften grinsend schauten. Da war alles dabei: ganz junge und ganz alte, neue und alte Parteimitglieder. Huch, der war doch früher mal in einer anderen Partei, oder? Und ganz oben, als allererster, steht da unser Oberbürgermeister.

Aber mal kurz Halt. Schnell noch mal die Überschrift lesen. Ja, da steht Stadtrat. Aber als Oberbürgermeister kann er doch nicht in den Stadtrat. Er hat doch da als OB schon eine Stimme, und eine zweite darf er ja nicht haben, hätte er aber, wenn er noch Stadtrat wäre. Das muss ein Fehler sein. Wobei, an einigen Plakaten von ihm bin ich auch vorbeigekommen. Nee, oder, das hat er nicht gemacht? So ein Fuchs. Das ist legaler Wahlbetrug. Man „fängt“ Stimmen mit einem Kandidaten, der gar nicht in das Amt will, um Sitze im Rat zu bekommen (denn die gesamten Prozente der Partei entscheiden über die Sitze) und hilft dann einem schwächeren Kandidaten in den Stadtrat. Ein cleverer Winkelzug. Aber wie sagt man so schön: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Nee, die Nummer ist mir zu plump, aber nicht jeder durchschaut das.

Ich rutsche mit dem Finger auf der Liste weiter runter. Ja, den kennt man, aber nee, den wählt man nicht. Oh, frischer jugendlicher Wind, die Junge Union auch vertreten, ganz nett. Weiter im Kandidatenrausch … wo hat die CDU nur so viele Kandidaten ausgegraben? Da eine Floristin, eine Versicherungstante, zwei Schulleiter, von Auszubildenden bis zum Rentner alles vertreten. Oha, die SPD ist auch gut dabei. Naja, man schenkt den anderen nichts. Die Grünen mit drei Kandidaten vertreten, wenigstens etwas mehr als beim letzten Mal. Ach, na schau, der Gunther ist auch dabei. Und weiter die Linken … ach, na den kennt man, die auch, und den … scheint ja jeder nochmal mobilisiert worden zu sein bei denen. Wer weiß, ob die das brauchen. Die Basis … hmm, die sind ja in der Presse nicht gut weggekommen, aber zwei Parteilose in deren Riege, dass das geht. Ok. Ja, von der hat man schon gehört und den kenne ich auch. Machen wir mal weiter. AfD – noch so ein Pressezugpferd. Alle können sie nicht leiden (offiziell), die wählt auch nie einer, aber das, was sie sagen, finden alle gut, würden es aber nie zugeben, auch nicht unter Folter. Weiter, was noch? Wir Weißenfelser … klingt schon mal gut. Aber die Auswahl, Geschmackssache. Und dann hier auch noch der Uli Mundt. Dann bin ich einmal durch.

Gut, und wen wähle ich jetzt? Wie immer das kleinste Übel und die mit dem meisten Potenzial. Eins, zwei, drei Kreuzchen und schon ist auch der Zettel fertig. Ein klein wenig unhandlich ist das riesige gelbe Ding, aber ich schaffe es, das Teil zu falten. Stehe mit leichten Schweißperlen auf der Stirn auf, wische sie mir ab, bevor ich die drei Zettel zu den Urnen trage. Da fällt mir ein kleiner Schriftzug auf meiner Kabine auf: „Scheiß AfD“ wurde durchgestrichen und durch „Geil AfD“ ersetzt. Meine Wahl hat es nicht beeinflusst, es ist mir doch gerade erst aufgefallen, und ich schmunzle. Ist das noch Wahlwerbung oder schon Vandalismus?

An der Urne stecke ich meine Wahlstimmzettel in die Schlitze, und der EU-Wahlzettel klemmt, weil die Urne zu klein und zu viele Wähler da waren. Das hatte man wohl nicht erwartet. Was mich aber erwartete, war eine Tasse Kaffee und mein Erdbeerkuchen. Deshalb hakte ich meine bessere Hälfte unter und lief nach Hause. Unterwegs begegneten uns einige Nachbarn, die dahin wollten, woher wir kamen. Sie würden Zeit brauchen, als wir gegangen waren, hatte sich schon eine Schlange vor dem Lokal gebildet. So viele Wähler gab es schon lange nicht mehr.

Unterwegs erklärte ich meiner Begleitung, dass die Nummer mit dem Papke ja schon eine linke Nummer sei und ob das wirklich jeder durchschaut, dass das nicht recht ist, was man da bei der CDU treibt. Am Abend, die Wahllokale sind geschlossen und die ersten Stimmen sind ausgezählt, nach und nach werden die Zahlen aktualisiert. Der Krimi ist grad nicht so spannend wie die Wahlergebnisse. Und dann tut sich nach 23 Uhr nichts mehr an den Ergebnissen. Papke hat über 7.000 Stimmen gesammelt. Ich würde mal sagen, die haben den Trick nicht durchschaut. Ob die auch CDU gewählt hätten, wenn der charismatische und große, junge Mann dort nicht als Zugpferd für die Partei gestanden hätte? Wahrscheinlich nicht. Ein Aufschrei ging durch die sozialen Medien. Die böse AfD hat so viele Stimmen. Doch es wurde beruhigt, dass die ja nur drei Sitze besetzen (zu wenige Kandidaten), haben die dann immer zwei Stimmen? Das muss ich mal ergründen.

Nach dem Aufstehen, es ist morgens sechs Uhr, ein Montag, und ich bin zwar noch müde, aber trotzdem neugierig. Die Zahlen stehen fest, der Stadtrat ist festgelegt. Martin Papke ist nicht als Stadtrat, sondern als OB darin vertreten, und an seiner Stelle ein zweiter Schulleiter. Vielleicht nicht die schlechteste Wahl. Wir werden sehen.

Dennoch stößt mir der Trick mit dieser Wählertäuschung auf, und ich hatte das von einem Martin Papke nicht gedacht. Die CDU hatte recht extrem Angst vor anderen Parteien und hat wohl nun deshalb diesen höchst verwerflichen Weg gewählt. Das hätte ich von einer Christlichen Union nicht gedacht, wo doch Lügen, Betrügen und Täuschen so ganz gegen ihre Maxime sprechen. Nun sei's drum, schauen wir mal, was dieser Stadtrat so vollbringt. Die Rechnung bringt man bekanntlich immer zum Schluss.

Verfasser: möchte anonym bleiben  |  vor dem 01.07.2024

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